Anorganische oxidische Nanosole (im einfachsten Fall auf Basis nanopartikulärer Siliciumdioxid-Nanosole) bieten eine einfache Möglichkeit, bioaktive Reagenzien, Biomoleküle und selbst lebende Zellen homogen in eine Siliciumdioxid- oder Metalloxid-Matrix (MeOn) einzubetten und als bulk-Produkte oder dünne biokatalytische Schichten zu applizieren.
Wesentliche Merkmale sind:
- nahezu alle Biomoleküle können in die anorganische Sol-Gel-Matrix eingebettet werden, selbst Mikroorganismen und lebende Zellen (wie Hefen, Langerhanssche Inseln) bleiben lebensfähig, vgl. Bild 1
- eingebettete Biomoleküle erhalten in der Matrix weitgehend ihre Konformation und ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften
- eingebettete Moleküle sind externen Reagenzien und damit chemischen Reaktionen und Wechselwirkungen zugänglich bioaktive Nanokomposite können als Filme, Volumenkörper oder Fasern hergestellt und genutzt werden.
Je nach der Zusammensetzung der bioaktiven Nanokomposite („Biocere“) kann man den Immobilisierungsgrad der eingebetteten bioaktiven Stoffe steuern.
Die permanente Verkapselung biologischer Komponenten (z.B. von Biopolymeren wie Kollagen, Gelatine oder anderen Kollagenhydrolysaten, Chitosan, Hyaluronsäure) kann z.B. zur Verbesserung der Biokompatibilität von Implantat-Oberflächen genutzt werden.
Bereits reine SiO2-Nanosol-Beschichtungen weisen sowohl bei der Zelladhäsion (als wichtiges Kriterium der Biokompatibilität) als auch bei der Zellproliferation von Knochen- oder Bindegewebszellen ähnliche Eigenschaften bzw. leichte Verbesserungen im Vergleich zu den derzeit verwendeten unbeschichteten Titan-Implantaten auf. Der steigende Einbau von Gelatine oder Kollagen sowie anorganischer Knochenbestandteile (d.h. Calcium- bzw Phosphationen) in die SiO2-Schicht verbessert drastisch die Zelladhäsion; außerdem liegen die mechanischen Eigenschaften der bioaktiven Nanosol-Beschichtungen vorteilhaft im Bereich des natürlichen Knochenmaterials.
Die Immobilisierung von räumlich großen Biokomponenten (z.B. von Enzymen oder anderen Proteinen sowie vegetativen Zellen und Sporen) ermöglicht den vorteilhaften Einsatz solcher bioaktiver Nanokomposite in der Biotechnologie (immobilisierte Biokatalysatoren), in der Biosensorik (immobilisierte Enzyme und Antikörper) und medizinischen Diagnostik (z.B. immobilisierte Proteine), da durch die steuerbare Porosität der anorganischen Matrix eine weitgehend ungehinderte Diffusion kleiner Reagenzien in und aus der Schicht möglich ist. Dadurch werden oft ähnlich hohe Enzymaktivitäten wie in Lösung beobachtet, d.h. biokatalytische Reaktionen laufen in einer Sol-Gel-Schicht mit einer hohen Effizienz ab.
Die vorteilhafte Nutzung derartige Biokomposite z.B. immobilisierte Hefen als Biokatalysator für Fermentationsprozesse sowie immobilisierte Bakterien und Hefen als Biofilter zur Bodensanierung und Abwasseraufbereitung werden intensiv untersucht.
Nanosol-immobilisierte vegetative Zellen | Anwendung |
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Saccharomyces cerevisiae (Trockenhefe) |
Biokatalysator in Fermentations- prozessen (alkoholische Gärung) |
Bacillus sphaericus Isolate aus Halden des Uranbergbaus (Bakterien, Sporen, Hüllenproteine) |
Hocheffektive, regenerierbare Biofilter für Uran- und Kupfersalze mit spezifischer Bindungskapazität |
Rhodococcus spec. Isolate aus Flußwasser, halotolerante Pilze Leup2 |
Biokatalysator zum Abbau von Phenol und Glykolen in Industrieabwässern |
Tabelle 1: Anwendungen von Bioceren zur Biofiltration und Biokatalyse
Die verzögerte bzw. gesteuerte Freisetzung eingebetteter bioaktiver Stoffe (z.B. antimikrobieller oder pharmazeutische Wirkstoffe, Antikoagulantien, flüssige oder feste Repellenzien und Aromastoffe) aus der Sol-Gel-Matrix eröffnet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Ein Vorteil der Nanosol-Beschichtungen besteht darin, daß es durch rezeptmäßige Steuerung der Schichtporosität möglich ist, die Geschwindigkeit der Freisetzung der bioaktiven Komponente in weiten Grenzen zu steuern, und darüber hinaus die Beschichtung mit anderen co-immobilisierten Substanzen zu kombinieren und somit eine biologische Breitbandwirkung zu erzielen.
Sol-Gel immobilisierte bioaktive Verbindung | Anwendung |
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Silber, organische Biozide | Antimikrobielle Beschichtung von Medizinprodukten |
Heparin, Hirudin | Antikoagulierende Beschichtung von Medizinprodukten |
Natürliche und synthetische Wirkstoffe | Transdermale und therapeutische Systeme |
Tabelle 2: Beispiele von Nanosol-Beschichtungen mit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung
So zeigen beispielsweise Untersuchungen zur antimikrobiellen Wirkung von Nanosol-Katheterbeschichtungen, daß mit unterschiedlich immobilisierten Bioziden die antimikrobielle Breitbandwirkung gegenüber gram-positiven und gram-negativen pathogenen Bakterien verbessert werden kann.